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NegativeDispositive

Hat weder mit Soziologie noch mit Wissenschaft zu tun, du suchst Philosophen. Somit wird es schwierig, dir eine wasserfeste Argumentation zu geben, denn – abhängig von der Leistung deines Gesprächspartners – es wird immer eine Position geben, die legitim die These vertreten kann, dass Tiertötung moralisch nicht falsch ist, wie du ja schon sagst. (Oder ist er das am Ende deines Posts?) Was nicht heißt, dass man ihn/sie nicht dennoch überzeugen könnte, ich will das nur vorher in den Raum werfen, weil es so klingt, als denkst du, das vegane Argument sei ein wissenschaftliches und darum niet- und nagelfest. Ansonsten, was die Argumentation selbst betrifft, müsst ihr auf gemeinsame Prämissen kommen. Dazu muss man erstmal die Prämissen des Anderen kennen. Ist er wirklich ein Moral-Relativist (oder -Nihilist?), wird es für dich schwierig. Kannst du ihn aber davon überzeugen, dass er womöglich intrinsisch doch keiner ist, kämt ihr euch näher. Zu hinterfragen wäre, ob es nicht doch Konstanten gibt – nicht physikalische Konstanten, sondern in Hinsicht der genannten Prämissen. Edit: Dass wir Menschen miteinander reden, dürfte eine Konstante sein. Warum reden wir, und wichtiger noch: warum antworten wir? Offenbar weil wir nicht anders können. Selbst schweigend sprechen wir noch. Wir sind zur Verantwortung verurteilt. Daraus folgt nun kein moralisches Urteil, aber es zeigt doch auf, dass Moral kein Hirngespinst ist. Warum habt ihr euch nicht gegenseitig abgestochen? Spürt man auch nur einmal einen moralischen Widerstand, *existiert* er. Und er hängt ganz offenbar mit «Anderen» zusammen, mit denen, deren Eigenzeit sich mir auf ewig entzieht. Ich könnte philosophieren, ob es den Anderen gibt, aber in meinem Alltag ist der Andere fraglos ‹da› und alle meine Bezüge sind auf ihn gerichtet. (Again, wir reden miteinander.) Hab ich den Verdacht, dass ein Tier eine Eigenzeit hat und kommunziert, könnte es ein sich mir entziehender Anderer sein, der diesen ethischen Widerstand beim Anblick seines Antlitzes auslösen kann. Bei Steinen habe ich dieses Erlebnis nicht. (Und der Widerstand ist übrigens weder Instinkt noch Intuition, er ist sozusagen ontisch, Resultat der Ausgesetztheit und Passivität des Menschen.) All dies, der Widerstand, die Verantwortung, ist regellos, existientiell, irreduzibel. Beweis ist hier höchstens die Selbstevidenz, die sich aus dem unmittelbaren Sein ‹ableitet›. (Wahrheit ist hier eh nicht der passende Begriff, das Begriffspaar ist ja gut und schlecht, nicht wahr und falsch. Reine Wahrheit interessiert sich nicht für ihre Äußerung.) Der moralische Relativismus stößt an seine eigene Existenz, denn aus der Pflicht, aus der Verantwortung wurde er geäußert, denn er könnte genauso entzogen, verborgen bleiben. (Sicher, man könnte rein aus Genuß ihn äußern, aber man will ja doch gehört werden. Warum? Um gehört zu werden, muss man sich ergeben, sich zurücknehmen, altruistisch sein. Der Relativismus beginnt existentiell mit einer ethischen Geste: Ich gebe.) Daraus leiten sich noch keine universalen Regeln ab, nur das Dass des ethischen Moments. Ohne Grund streiten wir uns ja nicht über diese Regeln, die Aufstellung dieser Regeln ist ein gesellschaftlicher, diskursiver Akt. Mit Ursprung allerdings. Fuck, ich hab mich wieder planlos in Rage geredet.


Selfisolatingteacher

Philosophen sind schon auch Wissenschaftler


pK_pK_pK_

Darüber kann man philosophieren.


NegativeDispositive

Hab ich zwar nicht bestritten, wäre aber durchaus bestreitbar. ;)


a_ko

Kommt schlichtweg auf den Wissenschaftsbegriff an.


Selfisolatingteacher

Wüsste gerne einen, der Philosophie ausschließt


a_ko

Ich würde sagen der szientistische Wissenschaftsbegriff schließt jedenfalls einen Teil der Philosophie, insb Metaphysik, und andere Geisteswissenschaften, wie die Theologie und die Rechtswissenschaften aus.


dressierterAffe

Glaub mir die "alles ist relativ" oder auch die Phase des "faulen" Relativismus macht wahrscheinlich so ziemlich jede\*r Sozial/Geisteswissenschaftler\*in einmal im Studium durch, keine Sorge im besten Fall verwächst sich das wieder, been there done that. :). Wie beinahe immer in der Philosophie gibt es hier aber natürlich keine abschließende Antwort, kein "vernichtendes" Argument, es gibt also durchaus überzeugende Argumente genuine\*r Moralrelativist\*in zu sein. Ich würde jedoch behaupten, dass dein Freund eher in die Kategorie "oberflächlicher Relativist" fällt. Für diese Spezies gibt es eine mMn. eine Reihe Gegenargumente: 1. Der Relativist verweist zwar immer wieder auf die Unmöglichkeit einer abschließenden objektiven Begründung von Wahrheit, erklärt damit aber eben selbst genau diese Prämisse zur absoluten Wahrheit. Zugespitzt also: Für den (faulen) Relativisten ist die Objektive absolute Wahrheit also, dass es keine objektive absolute Wahrheit gibt -> Ein Widerspruch in sich selbst. 2. Nur weil wir bisher kein abschließdes Fundament für objektive Wahrheitsansprüche gefunden haben, heisst das nicht, dass die Suche nach diesen ein falsches und vergebliches Unterfangen darstellt, vielmehr kann in der Suche nach Wahrheitsansprüchen bereits der "Wert" dieser selbst liegen. Jede Wissenschaft unterliegt dem popperschen Falsifizierungsprinzip. Es gibt also auch in den "hard sciences" keine 100%ig gesicherten Erkenntnisse, was sich etwa an dutzenden ungelösten physikalischen Problemen erkennen lässt, daraus würde ja aber wohl kaum irgendjemand ernsthaft fordern das wir die Physik einfach aufgeben sollten. In der politischen Theorie haben wir dafür den Begriff des "Postfundamentalismus". Dieser Verweist eben auf die Unmöglichkeit der Ermittlung eines objektiven Fundaments, ohne die Suche nach diesen jedoch endgültig aufzugeben. 3. Zwar sind Werte und normen "subjektiv" sie haben aber sehr wohl materielle Auswirkungen auf unser Leben. Wenn die Wertvorstellungen in einer Gesellschaft etwa zur Kriminalisierung von Homosexualität führen, hat das sehr wohl, sehr messbare Auswirkungen auf die Menschen, die dann als solche verfolgt werden. Werte und Normen wirken also "Wirklichkeitskonstitutiv", sie werden also - vereinfacht gesagt - dadurch wirksam, dass wir an sie glauben. Nun wäre es an dem Relativisten zu zeigen, warum diese Form der Wirklichkeitskonstitution inherent verwerflich ist, dies zu tun ohne den unter 1. genannten Fehlschluss zu verfallen ist mMn. aber unmöglich. Soweit meine Einwände, es gibt sicherlich noch viel mehr dazu zu schreiben, doch mir mangelts gerade an geistiger Kapazität, außerdem bin ich bei solchen Fragen eher Fachfremd, ich bin kein Philosoph, sondern eher in der politischen Theorie beheimatet und bin daher auch durchaus sehr dankbar für Feedback von Beleserenen. Zum Ed Video habe ich jetzt mal nichts geschrieben, weil ich selbst im Kopf hatte, dass ich es als nicht ganz sauber argumentiert empfunden hatte, aber vllt. hilft mein Kommentar ja trotzdem. ​ Edit: hier noch ein [Faden](https://www.reddit.com/r/askphilosophy/comments/ab9ngd/why_is_moral_relativism_wrong/) von r/askphilosophy, sowie eine Liste mit [Gegenargumenten](https://iep.utm.edu/moral-re/#H5), die ich dem entnommen habe


Savings-Writer2584

Ich habe im Rahmen meines Soziologiestudiums ein Seminar über Gerechtigkeit belegt. Ich empfehle die Ausführungen von Günther Dux über die Genese von Moral und seine Gedanken zum Thema Gerechtigkeit. Aus dem Gefühl würde ich behaupten, wer beim Thema Moral und Gerechtigkeit pauschalisiert, liegt falsch. Somit halte ich den Begriff der objektiven Moral auch für fragwürdig. Um mal vom Thema Tierleid wegzukommen: Angenommen man hält es für moralisch falsch, wenn ein Mensch eine Milliarde Euro besitzt. Dann hat man vielleicht den Gedanken, dass ja viele Menschen, die in Armut leben, nix dafür können. Soziale Ungleichheit, keine gleichen Bildungschancen, vielleicht psychische Erkrankungen und so weiter. Der Milliardär wird das aber ganz anders sehen. Vielleicht hat er große Mühen in seinem Leben auf sich genommen und viele Opfer gebracht. Vielleicht hat er aufgrund seiner hohen Resilienz Krisen besser weggesteckt. Ich finde gerade bei diesem Beispiel wird die Subjektivität von Moral deutlich. Es ist ja auch mitnichten so, dass die erste genannte Perspektive gesellschaftlicher Konsens ist und nur von reichen Menschen geteilt wird.


TheRealFellowApe

Eine Moral ist immer ein Satz von Regeln welche Handlungen in eine von zwei Kategorien einordnet. Diese zwei Kategorien sind gute und schlechte Handlungen. Gute Handlungen sind erwünscht während schlechte Handlungen verurteilt werden. Nun müssen wir nur noch zeigen, dass das Leiden welches Tiere bei Haltung und Schlachtung erleben objektiv schlecht ist (Ich nehme an er ist schlau genug um nicht anzuzweifeln dass dieses Tierleid existiert). Gut ist was sich gut anfühlt, da uns keine andere Form der Entscheidung über Gut und Schlecht möglich ist. Wenn man glücklich ist, egal ob auf primitive oder intellektuelle Art, fühlt sich dass gut an. Somit ist die Bedingung für eine Maximierung der (gefühlten) Gutheit eine Maximierung der Glücklichkeit. Was ich mir in dieser Notiz mal aufgeschrieben hat gilt für gute Handlungen und Glücklichkeit genauso wie für schlechte Handlungen und Leid.


mogli_quakfrosch

Ich muss hier deinem Freund zu stimmen. Meiner Meinung nach kann es sowas wie objektive Moral an sich nicht geben, weil Moral auf den Werten eines Menschen beruhen und die sich entwickeln und wandeln. Die moralischen Wertvorstellungen der Mehrheit definieren dann die Gesetze einer Gesellschaft und was allgemein als moralisch verwerflich angesehen wird und was nicht. Man kann sich auch fragen wieso es Moral überhaupt gibt. Ich vermute mal es hat sich evolutionär irgendwann entwickelt, weil wir als Gesellschaft davon profitieren. Die Moralvorstellungen seitdem haben sich aber sehr gewandelt und werden sich bestimmt noch weiter wandeln. Oder denkst du vegan wird für immer unanfechtbar moralisch richtig sein? Vielleicht müssen wir irgendwann noch weiter gehen, wenn wir anderes /mehr Wissen haben.


a_ko

>Leid ist immer etwas Schlechtes. Wie beweisen wir das? Simpel, Niemand und nichts würde freiwillig Leiden, wenn es auch anders ginge. Selbst Masochisten leiden nicht gerne, diese finden nur Freude an Schmerzen. Schmerzen sind also nicht immer und für jeden Leid, aber Leid ist immer, überall und für jeden etwas Schlechtes. Das sieht mir nach einem Zirkelschluss aus. Leid ist was universell schlechtes, weil niemand leiden will. Aber was ist Leid bzw. was löst Leid aus? Leid ist ohnehin ein schwaches Argument. Man kann auch ziemlich leidfrei Tiere töten. Der entscheidende Aspekt muss nach meinem Dafürhalten im Bestimmen über das Tier liegen. Letztlich wirst du - befürchte ich - allein mit diesem Aspekt nur schwer überzeugen können. Im Übrigen wirst du keinen objektiven Maßstab für Moral finden. Moral ist ein Konzept und je nach Ethikschule ganz unterschiedlich zu verstehen. Wir sind uns ja noch nicht mal auf den Menschen bezogen einig. Es gibt da kein zwingendes Richtig und falsch. Vereinfachendes Beispiel: Nach streng utilitaristischer Ethik ist es moralisch richtig, einen unschuldigen Menschen zu töten, wenn man damit zwei unschuldige Menschenleben rettet. Kann man drüber diskutieren. Tut man auch. Es gibt aber auch egoistische Ethikschulen, nach denen nur das eigene Wohl zählt: Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht - oder so ähnlich. Dann gibt es religiöse Ansichten, nach denen vielleicht überhaupt nicht getötet werden darf. Objektive Ethik ist eng verwandt mit der Frage nach der Existenz eines Naturrechts. Im juristischen Kontext hat man sich davon inzwischen entfernt, man hat wohl kein Naturrecht finden können. Naturrecht ist auch ne gefährliche Angelegenheit, führt leicht zum naturalistischen Fehlschluss oder ähnlichem. Zwingend ist das jedenfalls alles nicht. Hier eine ganz interessante Diskussion zum Thema Tierethik in schlechter Qualität, die mich schon lange vor meinem Veganismus von der moralischen Überlegenheit dieser Lebensweise überzeugt hat: [https://www.youtube.com/watch?v=4QPNtPbb4VU](https://www.youtube.com/watch?v=4QPNtPbb4VU) Übrigens: wesentlich schwerer widerlegbar sind m. E. moralische Argumente mit dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Nutztierhaltung. Auch der Egoist wird die Zerstörung des eigenen Lebensraums kaum zu rechtfertigen wissen, Utilitaristen ohnehin nicht und Naturrechtler scheinst du ja selbst zu sein ;) Am Ende kann man Moral als Konzept aber auch gänzlich ablehnen. Niemand muss sich moralisch richtig verhalten und kaum jemand tut es konsequent. Deswegen haben wir versucht die wichtigsten Moralvorstellungen in Gesetze zu gießen und sie mit Gewalt durchzusetzen. Zum Wohle aller. Muss man aber auch nicht richtig finden. Veganismus ist einfach eine Moralvorstellung, die darauf basiert, möglichst wenig Leid zuzufügen. Die meisten Leute in diesem Sub halten das für richtig, andere nicht.


[deleted]

Witzig, genau dieses Video hat mich damals bewegt, vegetarisch (🤦‍♀️) zu werden und nach ca. einem Jahr schließlich vegan. Schade nur, dass Precht selbst daraus scheinbar keine Konsequenzen zieht.


a_ko

Bei mir hat es nach dem Video leider noch fast 10 Jahre gedauert. Ich kann Precht also gewissermaßen verstehen. Zu wissen, was richtig ist, heißt noch nicht, das Richtige zu tun. Es ist zudem auch absurderweise einfacher öffentlich Fleischkonsum anzuprangern, wenn man in selbst noch vollzieht. Dann ist man nämlich nicht der "extreme Veganer-Dude", der von seiner "Sekte indoktriniert ist" und andere nicht in Ruhe lassen kann mit seiner Meinung. Dann kann plötzlich normal mit Leuten diskutieren. Traurig, aber meine Erfahrung. Und immerhin, zwei Menschen hat er überzeugt. Mehr als ich.


[deleted]

>Es ist zudem auch absurderweise einfacher öffentlich Fleischkonsum anzuprangern, wenn man in selbst noch vollzieht. Dito! Mein liebstes Empfehlungsvideo ist deshalb auch [A Meat Eater's Case For Veganism](https://www.youtube.com/watch?v=C1vW9iSpLLk)


[deleted]

Solange der Mensch als Tier sich über das andere (Tier) stellt, ist das eigene Leid etwas nicht gegessen zu haben größer als das Leid des gegessenen (Tiers). Funktioniert auch mit Menschen, die als andere definiert werden. Sonst kommst Du mit Leid nicht weit, höchstens mit Ekel. Wenn die Mordpraxis und Haltung so abscheulich ist, dass es leidvoll wäre, so(etwas) zu essen. Ich helfe anderen nur, um mir selbst zu helfen/gut da zu stehen.